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In Niklas Luhmanns Systemtheorie spielt Kommunikation eine entscheidende Rolle. Doch was ist das eigentlich, Kommunikation?
Nach dem Fiasko der letzten Folge fragen wir uns, was ist Kommunikation in der Systemtheorie? René berichtete davon, wie er von den Systemtheoretikern auf Twitter gemobbt wird und über die Versuche, den Begriff der Kommunikation einzufangen. Diesmal trafen wir uns in der Bielefelder Uni-Caféteria.
Ein klassisches Kommunikationsmodell ist das Sender-Empfänger-Modell des Kommunikatiosntheoretikers Harold Dwight Lasswell. Der Empfänger fabriziert eine Botschaft, der Empfänger empfängt diese. Das doch recht wenig komplexe Modell wurde später weiterentwickelt, unter anderem von dem Soziologen Suart Hall. In Halls Kodieren/Dekodieren-Modell. Das Hauptproblem des Sender-Empfänger-Modells sah er darin, dass es davon ausgeht, eine Nachricht wäre bei Sender und Empfeänger gleich. Stattdessen müsse eine Information jedoch erst einmal codiert und dann wieder dekodiert werden, wobei viel schief gehen könne. Für den Soziologen Niklas Luhmann ist Kommunikation wiederum Produzent sozialer Systeme. Und überhaupt könne nur Kommunikation kommunizieren. Luhmanns Begrifflichkeit ist weit entfernt von der „Kommunikation“ unseres Alltagsverständnis. Es herrscht Klärungsbedarf. Wir streifen Durkheim, Georg Simmel, die Soziobiologie und sind am Ende – wie sonst auch immer – kaum klüger. Außerdem reden wir über Hörerpost und das Publikum.
4:20 Was ist Kommunikation?
7:34 Paradox der Ablehnung von Empirie?
8:45 Wenn Kommunikation endet
9:25 Die Schweigeminute
16:15 Soziale Systeme entstehen
17:00 Woher kommen soziale Systeme?
22:50 1968 die Kritik
25:35 Vermeiden von Streit
26:05 Ethik der Wut
29:23 Wieviel Systeme sind nötig?
31:52 Strukturalismus
33:19 Hörerpost
34:03 Das Publikum
36:22 Wir sind die B-Version
38:02 Kaffeekatastrophe
Links zur Sendung:
- Gescheiterte SoWi-Stammtischrunde mit Klaus Kusanowsky und Frank Wunderlich-Pfeifer
- Klaus Kusanowsky
- 1968 – die Kritik
- Soziopod
Diese Folge steht unter einer CC BY 4.0 Lizenz.
Musik:
“Off to Osaka”
Kevin MacLeod
Creative Commons Namensnennung Lizenz
Hallo erstmal. Schöner Versuch, das „Chaos“ der letzten Folge 9 geradezurücken.
Dies ist Euch leider nur bedingt gelungen. Während in der letzten Folge mit @kusanowsky und Frank Wunderlich zwei Beobachter weniger diskutiert haben, als vielmehr versucht haben, dem jeweils Anderen Ihre Beobachtungsmethoden und ein paar Ergebnisse streitbar aufzudrücken, geht es in der neuen Folge relativ konfus zu.
Und das ist nicht allein dem relativ stark besuchten Ort des Gesprächs geschuldet.
Ich glaube, die Verwirrung von Frank und @sonntagssoziologe um Folge 9 hat ihre Gründe weniger darin, das @kusanowsky drüber war, sondern das er von seinen beiden Gesprächspartnern einfach nur wenig verstanden wurde.
Ein Beispiel zur aktuellen Diskussion (10), die „Frage nach dem Anfang“.
Unabhängig davon, ob Schamanenkommunikation – die eher die mit Clienten ist – oder Kommunikationen mit Verblichenen – welche entweder die „Spur der Kultur“ tragen oder individuell behandlungsbedürftig sind, ist wohl eher danach zu fragen, welche Funktion tribale und/oder stratifikatorische Restbestände in der funktional ausfransenden Moderne noch haben.
Zum „Anfang“ von Funktionssystemen und Medien finden sich ideengeschichtlich u.a. Hinweise bei Husserl, Hans Blumenberg, Aleida Assmann, Botho Strauss und natürlich Maturana, Varela und Heinz von Foerster (Fundstellen auf Anfrage).
Autopoietische Kommunikationssysteme produzieren sich nicht, sie reproduzieren sich durch selbst produzierter Operationen und die Frage, wie Veränderungen in Gang kommen, „muß nicht von den Anfängen, sondern von Differenzen her“( Ranulph Glanville) beantwortet werden.
Selbst Derridas „Spur“ rekurriert auf ein unmöglichen (insignifikanten) Ursprung, der für die Spur nicht zur Verfügung steht, der aber – in seiner Unmöglichkeit, präsent zu sein – in der Form des Bedeutungsprozesses schon enthalten ist.(Thomas Vesting)
Es geht als eher um Formen der Verknüpfung von systematischer Theorie und Evolutionstheorie und nicht um „bodenlose Beginnlosigkeit“ wie die Luhmannkritik öfter unsterstellt.
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Danke für deine Einschätzung. Die Frage nach den Ursachen von Veränderung stellten wir allerdings ebenso wenig wie die nach der Ursache speziell von Funktionssystemen. Letztere bilden sich durch Ausdifferenzierung des Systems, so dass schonmal ein System vorhanden sein muss. Die Frage ist, woher kommt solch ein System? Diese Ursprungsfrage scheint mir nicht das Interesse von Durkheim, Parsons und Luhmann gewesen zu sein und muss es meiner Meinung nach auch nicht. Das schließt natürlich nicht aus, dass sich Vertreter anderer Disziplinen damit beschäftigt und ihre Antwort gefunden haben. Über Verweise zu den Fundstellen, würde ich mich freuen. Die von dir genannten Vertreter sind ja alles keine expliziten Soziologen. Vielleicht liegt es daran, dass sich die Ursprungsfrage für soziologische Fragestellung als nicht sonderlich relevant erwiesen hat.
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So muss ein Sonntag aussehen. (von @sms2sms https://pbs.twimg.com/media/CSKqz3_UAAYwhhy.jpg
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Wenn die Ursprungsfrage soziologisch nicht relevant ist, fragt sich, warum der Sowi-Stammtsich dem Scharlatan Kusanowsky überhaupt ein Forum bietet. Der unterstellt doch ständig, dass Luhmanns Systemtheorie eine Theologie oder eine Schöpfungslehre sein soll. Siehe hier: https://differentia.wordpress.com/2015/09/26/wozu-systemtheorie-und-niklas-luhmann/#comment-16930
Das zeigt, dass der durchgehend die Frage danach, wie soziale Ordnung möglich ist, mit der Frage nach dem Ursprung von Gesellschaft verwechselt.
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Klaus Kusanowsky (selbsternannter Scharlatan, soviel Zeit muss sein) nutzt dort zwar den Schöpfungsbegriff, die konkreten Fragen „Wie ist Gesellschaft möglich? Wie findet sie ihre zu ordnenen Angelegenheiten? Wie findet die Gesellschaft die Probleme, die sie lösen muss, ohne, dass sie dies müsste?“ suchen aber gar keinen Ursprung der Gesellschaft. Weiterhin ist die Frage nach dem Ursprung von Gesellschaft schon relevant, da sie aus den von Tönnies oder Platon beschriebenen Gemeinschaften entstand. Der Ursprung sozialer Systeme dürfte hingegen weit vor der Menschheit liegen, da wir auch bei Tieren Sozialsysteme beobachten.
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„Der Ursprung sozialer Systeme dürfte aber weit vor der Menschheit liegen, da wir auch bei Tieren Sozialsysteme beobachten.“
Wenn man diesen Gedanken nur radikal genug zu Ende denkt, kommt man beim Urknall raus. Insofern finde ich Deine Antwort wenig überzeugend. Mithin verleitet die Frage nach dem Ursprung leicht dazu ins Theologische abzudriften.
Die Frage müsste wohl eher lauten, was menschliche von tierischer Kommunikation unterscheidet? Dann könnte man evolutionstheoretisch klären, wie es zum Übergang von tierischer zu menschlicher Kommunikation kam.
Systemtheoretisch wären auch die Gemeinschaften von Tönnies und Platon das Ergebnis von Kommunikation. Sie sind nur ein anderer Selbstbeobachtungsmodus von Gesellschaft. Luhmann unterschied bekanntermaßen zwischen segementärer, stratifikatorischer und funktionaler Differenzierung. Sofern diese Gemeinschaften überhaupt je real waren, sind sie Beschreibungen einer segmentären differenzierten Gesellschaft. Historisch halte ich die These, dass Gesellschaft aus Gemeinschaft hervorgegangen sein soll, für nicht haltbar.
„Wie findet sie ihre zu ordnenen Angelegenheiten? Wie findet die Gesellschaft die Probleme, die sie lösen muss, ohne, dass sie dies müsste?“
Ich finde schon die Fragen sind falsch gestellt. Ihnen liegt ein ziemlich kruder Anthropomorphismus von Gesellschaft zugrunde. Die Gesellschaft ist keine Person, die irgendwas finden könnte – schon gar nicht ihre Angelegenheiten. Was wären denn die Angelegenheiten der Gesellschaft?
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Dann lass uns von der Geburt sozialer Systeme reden, dann ist der Urknall außen vor. Die Unterscheidung zwischen tierischer und menschlicher Kommunikation ist aber auch ok. Was, wenn Katze und Mensch miteinander reden?
Gemeinschaften würde ich ebenfalls als Kommunikationsergebnis sehen.
Ich kann die Frage des Ursprungs von Gesellschaft nicht klären, da ich nicht weiß, was sie genau ist. Letztlich erscheint sie mir ein Definitionsprodukt. Also würde ich nachschauen, wann die Definition entstand und ich glaube, da kommt man auf die Zeit des aufstrebenden Bürgertums.
Ob die Fragen von Klaus Kusanowsky falsch gestellt sind, vermag ich nicht zu beurteilen. Da müsste ich mich erst intensiv mit beschäftigen, z.B. damit, welche Probleme konkret gelöst werden müssen, ohne dass sie es müssen. Ich vermute aber, dass sich das verstehen lässt, wenn man Klaus Blog einige Nächte lang durchgräbt.
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Soziale Systeme entstehen und Woher kommen soziale Systeme? Diese Frage habt ihr also nicht gestellt ?
Sie ist Teil Eurer Gliederung und wird ab min 16:15 bzw. 17:00 erörtert, nun gut
Wichtiger finde ich aber den Hinweis, das die von mir angeführten Leut alle keine „expliziten Soziologen“ sind.
Um einen alten Tweet zu zitieren, „Hab ich über den Tellerrand geschaut, andere Teller gesehen. Erschrocken“
„4) Niklas Luhmann: Am Ende der kritischen Soziologie (1991)
(weiter unten)
Luhmann seinerseits weist der Soziologie eine Kritikroutine nach, die im gegenseitigen Nachweis selektiver und damit angreifbarer Beobachterperspektiven besteht und ebenso sehr lähmt, wie sie immer irgendwie weiter geht. Die daraus entstehende Verdachtskultur habe erkennbar nicht in einen Erkenntnisfortschritt münden können und werde dennoch gepflegt, weil sie eine Art Narkotikum ist: Man weiß nicht, wie es weitergehen soll, und macht solange weiter.“
aus: KANN MAN MIT SYSTEMTHEORIE GESELLSCHAFTSKRITIK ÜBEN? ZUR UNTERSCHEIDUNG DER BEGRIFFE »SYSTEM« UND »GESELLSCHAFT« UND DER BEGRIFFE »THEORIE« UND »KRITIK« DGS-Kongress Trier / Ad-hoc-Gruppe »Systemtheorie als kritische Theorie? Zur Normativität und Kritikfähigkeit einer amoralischen und apolitischen Theorie« Maren Lehmann
Und das Beste ist, sie ist Soziologin, dürfte also von euch kritischen Soziologen zum Diskurs zugelassen werden.
Ferner ist in diesem Artikel auch etwas über die Gegenstände der Soziologie zu finden.
Ich denke weiterhin aber, dass die Hervorbringungen und unsere Herausholungen der o.g. Autoren sowie der Herren Ladeur, Zizek, Adorno, Derrida und Co. auch einem gestandenen Soziologen neue Ein- und Aussichten vermitteln könnten.
Mir als vom Recht Heimgesuchter hilft die eine oder andere „heilsame Verunsicherung“ schon, auch wenn man es nicht immer gleich bemerkt
#soziologie #kritik #luhmann
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Wir haben schon nach Systemen gefragt, du hast aber mit Funktionssystemen geantwortet. Sorry, Missverständnis. Gegen Tellerrandüberblick habe ich nichts. Ich frage halt gern nach dem Kern von Disziplinen und da halte ich es für möglich, dass soziologische Fragestellungen von der Ursprungsfrage weniger abhängen als beispielsweise philosophische, wo man nach dem Grund aller Dinge fragt. Also Danke für deine Autorennennung und den Link.
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„Wie findet sie ihre zu ordnenen Angelegenheiten? Wie findet die Gesellschaft die Probleme, die sie lösen muss, ohne, dass sie dies müsste?“ – Ich finde schon die Fragen sind falsch gestellt. Ihnen liegt ein ziemlich kruder Anthropomorphismus von Gesellschaft zugrunde. Die Gesellschaft ist keine Person, die irgendwas finden könnte – schon gar nicht ihre Angelegenheiten. Was wären denn die Angelegenheiten der Gesellschaft?
Wie nennt man eigentlich diese Art von Rhetorik? „Ihnen liegt ein ziemlich kruder Anthropomorphismus von Gesellschaft zugrunde.“ Das rhetorische Verfahren besteht darin, dem Sprecher etwas mit Gewissheit zu unterstellen, das weder als Möglichkeit geäußert, noch im Sinnkontext des Verstehens relevant ist, um dann eben dies mit Ablehnung und diese Ablehnung mit Bedeutung zu versehen, obgleich obgleich weder die Unterschiebung, noch die Ablehnung und ihre Bedeutung irgendetwas zur Sache tut.
Aber egal: Wenn einer ein Scharlatan ist, dann bin ich das.
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Wenn jemand etwas als Person behandelt, obwohl es gar keine ist, dann ist das sehr wohl relevant – speziell in einem wissenschaftlichen Kontext. Gerade in der Wissenschaft haben sich Anthropomorphismen doch wohl inzwischen als Erkenntnisblockaden erwiesen, welche sehr leicht dazu verführen obskure Popanze aufzubauen. Darüber hinaus sind sie albern und infantil. Das ist keine Unterstellung, sondern kann jeder beobachten, der der deutschen Grammatik mächtig ist. Was sind denn nun die Angelegenheiten der Gesellschaft?
P.S.: Nur weil jemand eine Kritik vorauseilend als positive Selbstbeschreibung annimmt, heißt noch nicht, dass die Kritik nicht berechtigt wäre. Ironie ist halt auch nur eine Selbstimmunisierungsstrategie. Wer sowas nötig hat, braucht sich über die Selbstimmunisierungsversuche anderer nicht beklagen.
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Wobei der Personenbegriff durchaus auch soziologisch verwendet werden kann, wenn man ihn vom philosophischen Menschsein trennt. So kann mit Person auch als eine Zuschreibung z.B. durch Institutionen definiert und deren Umgang mit solchen Identitäten untersucht werden. In der Rollentheorie wird „Person“ ebenfalls als Träger verschiedener Rollen benötigt. Nicht zuletzt möchte ich auch an die umfrageforschung erinnern, welche Personen befragt.
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