Alle Rassismen sind gleich. Der numerus clausus ist genauso eine protektionistische Maßnahme wie die Einwanderungsbeschränkungen, eine Reaktion auf die ‚Überfüllung‘, die eine wahnhafte Vorstellung von der großen Zahl, der Überschwemmung durch die große Zahl, an die Wand malt. (Bourdieu Pierre)
Für den Soziologen Pierre Bourdieu ist der Intelligenzbegriff ein Distinktionsversuch einer herrschenden Elite, ihren Herrschaftsanspruch zu legitimieren und den Aufstieg und damit die Konkurrenz aus unteren Schichten zu minimieren. Tatsächlich erscheint Intelligenz in unserer Gesellschaft als ein hohes Gut. Doch wie fundiert ist dieser Begriff und wie kann er gemessen werden? Bei näherer Betrachtung erscheinen eine Reihe von Fragezeichen. So gelten Intelligenzmessungen ebenso wie unser Schulsystem bei einigen Soziologen und Psychologen zu sehr an die Standards der Mittelschicht angepasst, Standards, die einer eher willkürlichen Deutungshoheit entspringen. Westliche Intelligenztests können in der Regel nicht kulturübergreifend angewendet werden und auch bei innerkulturellen Vergleichen lässt sich Milieufreiheit kaum herstellen. So messen solche Tests eher die soziale Herkunft als Intelligenz. In unseren Bürogesprächen diskutieren wir – wieder in drei kurzen Gesprächen – Bourdieus Text „Der Rassismus der Intelligenz“ und fragen uns als Hochschhulmitarbeiter, ob Zeugnisse und Diplome tatsächlich eine ungerechtfertigte Art der Reproduktion gesellschaftlicher Schichten darstellen.
Gewöhnliche IQ-Tests sind nicht als ‚unfair‘ anzusehen in dem Sinne, dass man ein ungenaues und ungültiges Maß für die vielen benachteiligten Kinder hätte, die niedrige Scores erzielen. Wenn sie unfair sind, so deswegen, weil sie nur einen Teil des gesamten Spektrums der geistigen Fähigkeiten berühren und nicht jenen Aspekt enthüllen, der vielleicht die eigentliche Stärke des benachteiligten Kindes ist − die Fähigkeit für assoziatives Lernen […] da die traditionellen Methoden des Klassenzimmerunterrichts in Bevölkerungskreise entwickelt wurden, welche ein überwiegend mittelständisches Vorbild an Begabungen hatten, setzen sie größeren Nachdruck auf kognitives als auf assoziatives Lernen […] zum großen Nachteil für viele Kinder, deren Lernweise vorherrschend assoziativ ist. Viele der Grundfertigkeiten können durch verschiedene Mittel erworben werden, und ein Unterrichtsschema, das einen einzigen Lernstil übermäßig herausstellt, muss bei all den Kindern magere Ergebnisse erhalten, welchen dieses Muster nicht angemessen ist. (Arthur Jensen, „Die Ungleichheit der Menschen“)
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Musik:
“Off to Osaka”
Kevin MacLeod
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